Michael von Aichberger - Familiengeschichte

Franz de Paula von Aichberger in jungen Jahren

Franz de Paula von Aichberger

(1816 - 1891)

 

Wie meine Vorfahren Köln erlebt haben

1836: Franz war gerade 20 Jahre alt, da begab er sich von München aus auf eine lange, wohl auch eher beschwerliche Reise, die ihn in drei Monaten über Aschaffenburg, Nürnberg, Fürth, Mannheim, Koblenz, Köln, Düsseldorf nach London, und auch nach Paris führen sollte. Verkehrsmittel waren Postkutsche und Dampfschiff.

Das alles wäre längst in Vergessenheit geraten, hätte er damals nicht ein Reisetagebuch geführt.

 

„Die Reise dauerte vom 25. August bis 19. November incl. und kostete 226 Florin und 9 Kreuzer (Goldfranken in Paris: 18 10, macht zusammen 244 Florin und 19 Franken.”

         
Franz de Paula von Aichberger, Überschrift seines Reisebuchs von 1836
         

Das Reisebuch von Franz de Paula von Aichberger
Reise-Buch von 1836

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

  13.) Von Bonn nach Köln 7 Std. Brühl, Städtchen seitwärts zw. Bonn u. Köln (2 Std. v. Köln mit c 1 500 Einw. [...] An dem prächtigen Schlosse bauten die 3 letzten Kurfürsten von Köln. [...] Bensberg 3 St. von Köln, Dorf u. auf einer Anhöhe ein schönes Lustschloß [...] Rechts: Poll, wo sich Köln in einem überraschenden Anblick zeigt. Köln im Regierungsbezirk Köln, Provinz Jülich, Kleve, Berg. Die meistens engen, finsteren und krummen Straßen sind menschenleer [...] Köln hat c 7 000 Wohnhäuser u. ein Ursuliner-Kloster, 4 Konvente barmherziger Schwestern u. einen Konvent von Alexianern resp. Barmherziger Brüder während es a 1002 noch 58 Klöster hatte auch hat es nur mehr 50 000 Einwohner, während es früher allein 30 000 Streiter ins Feld stellen konnte in Folge der Religionsstreitigkeiten. In der Bartholomäusnacht ... im 15. Jhdt. Wurden alle Juden verbrannt u später bei einem Aufstand der Wollenweber 17 000 Webstühle. Zu Anfang des 17. Jahrhunderts alle Protestanten. Anno 1797 wurde letzteren wieder freie Religionsübung angeboten, doch viele blieben aus. Vor der franz. Besitznahme gab es hier c 12 000 Bettler, welche durch die Klöster ernährt wurden (u. jetzt meißtens durch Schleichhandel). - Köln ist eine der wichtigsten Handelsstädte des Rheins, u. war vormals eine freie Reichsstadt, sowie eine bedeutende Festung. Sie wird von einer hohen mit 80 Türmen versehenen Mauer, von Erdwall u. Graben eingeschlossen. Plätze: der mit Lindenreihen versehene Neumarkt, der Heumarkt u. der Altermarkt. Kirchen: Dom, obgleich unvollendet, ist er doch eines der herrlichsten Werke altdeutscher Baukunst. A. 1248 wurde er durch Conrad von Hochsteden gegründet, u 1300 wurde noch gebaut. Er ist in Kreuzform angelegt, doch ist nur der Teil, wo das Haupt Jesu hing u. [der] das 200 Fuß hohe Chorgebäude bildet vollendet, er ist 400 Fuß lang u. 180 breit. [...] Von den zwei Türmen, deren jeder eine Höhe von 500 Fuß erreichen sollte, steht der nördl. nicht über 21 u. auch der andere kaum 250 Fuß hoch über der Erde. In letzterem hängt die große Glocke, die von 12 Mann gezogen wird u. 25 000 to wiegt. Von diesem Turme ist eine herrliche Aussicht. Das Schiff des Doms, od. die Unterkirche ist unausgebaut, kaum 100 Fuß hoch u. mit Brettern überwölbt. In dem majestätischen, allein ausgebauten Chor hat das Presbyterium einen schönen Marmorboden der schön schwarzmarmene Tisch des Hochaltars [hat] 18 Fuß Länge u 9 Fuß Breite. Zu beiden Seiten stehen Maria u. Petrus. In der Mitte desselben das mit 7 Säulen erbaute Tabernakel nach Salomons Spruch: "Die Weisheit erbaute ihr Haus u. hieb 7 Säulen." Das Ganze ist aber in franz.-ital. Stile ausgeführt u. der erhabenen altertüml. Größe des Doms nicht angemessen. Anno 1769 hatte man das alte Tabernakel, ein Meisterstück altd. Baukunst, zertrümmert u. dafür das neue errichtet. Die Wände des Chors sind mit Hautriß [= Tapeten] behangen wozu Rubens die Zeichnung lieferte. [...] Oberhalb des Eingangstores zum Chor ist die vortreffliche Orgel. In einem Seitengewölbe wird der Domschatz gezeigt. Die Dombibliothek hat viele Ausgaben aus den Zeiten Gutenbergs u. seiner Schüler. [...] Köln gegenüber liegt das Städtchen Deuz [heute: Deutz], das von König Teut seinen Namen haben soll. Im 4. Jhdt. baute Kaiser Constantin hier ein Castell. u. verband es mit einer steinernen Brücke. Jetzt geht nur eine fliegende Brücke 13 000 Fuß breit hinüber. Die aber doch ein Batallion aufnehmen kann. 14.) Von Köln nach Düsseldorf 9 Std. Rechts am Ufer die aufgehobene Abtei Mühlheim [Mülheim], nebst einem Städtchen. Hier schlug Cäsar seine Brücke über den Rhein, u. hier stand die Hauptstadt der Ubier. Anno 1784 wurde das ganze Städtchen durch Eis weggeschwemmt. Hier fließt die R...der in den Rhein. Links liegt das Städtchen Worringen, das alte Burumcum der Römer, auch hatte die Stadt im Mittelalter Mauer u. Türme, wovon noch einige Ruinen. Zwischen Worringen u. Fühlingen auf der über 1 000 Morgen haltenden Heide fiel die berühmte Schlacht zwischen Adolf VII von Berg u Erzb Siegfried von Westernburg anno 1280 vor, wo ca. 8 000 Mann blieben. Flur, Dörfchen, von hier führt eine fliegende Brücke nach Düsseldorf am r. Rheinufer, eine der schönsten Städte am Rhein, wo dieser Strom die Düssel aufnimmt, welche die Altstadt durchfließt u. der Stadt überhaupt den Namen gibt. [...] Die ganze Strecke des Rheins von Basel bis Mainz heißt der Oberrhein u. Beträgt 87 Stunden, nämliich 32 von Basel bis Straßburg u. 55 von Straßb. - Mainz. Die Strecke zw. Mainz u. Köln heißt der Mittelrhein u. beträgt 41 ¾ Std. - ... der Unterrhein von Köln bis zu seiner Teilung an den Grenzen von Holland 33 ¾ Std. Die ganze Distanz des Rheins von seinem Ursprung bis zu seiner Mündung beträgt 303 ½ Std. und zu Land 270 Std. 

Köln, Panoramaansicht aus dem Jahre 1847
Köln 1847 (elf Jahre nach dem geschilderten Besuch):
„... so dürfte diese Stadt doch vor manchem Jahrhundert nicht schön genannt werden können.” (Fotograf: John Muir Wood)

     

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

„Die wallrafische Sammlung sahen wir nicht, denn wir hatten genug”

 

 

 

Reisepaß von Franz de Paula von Aichberger
Reisepaß von Franz von Aichberger

 

5. September 1836

Mit einem Franzosen und Berliner spielt sich eine lebhafte Unterhaltung an und um 12 1/2 sind wir in Köln. Groß und altertümlich ist zwar die Stadt, der Rhein breit und reich an Schiffen und mit einer Schiffsbrücke belastet [?], doch ist Köln dafür auch schlecht gebaut und wenn man auch beginnt, die morschen Gerüste abzuwerfen und neue Gebäude aufzuwerfen, so dürfte diese Stadt doch vor manchem Jahrhundert nicht schön genannt werden können. Dieses war der Eindruck, den die alte Colonia Agripina auf mich machte. Doch sollte derselbe noch gemindert werden. Nachdem wir uns nämlich durch ein Glas Wein gestärkt und zugleich unsere Ränzchen deponirt hatten, suchten wir den Dom. Ein kollossales stattliches Gebäude, das ein Stolz des so romantisch beschriebenden Mittelalters von vergangener Größe zeugt. Harmonische Einheit im Ganzen, harmonische Einheit in seinen Theilen, trotz seiner Unvollendetheit herrliche Perspektive im Inneren, herrliches Gotentum in seiner äußeren Pracht - So wird mancher wie ich freudig und erwartungsvoll dem Dom entgegeneilen. Doch auch er wird bald von seinem Erstaunen zurückkommen und vielleicht auch verwundert fragen, ob dieses der Kölner Dom sei. Gern gebe ich zu daß der vollendete Chor...[?] Wir gingen herum, wie die Katze um den Brei und fanden endlich eine kreischende Alte mit fürchterlichem Schlüsselbund, die uns öffnete und viel sprach, wovon jedoch weder ich, noch mein Gefährte, noch ein Hamburger, der sich an uns schloß, eine Silbe verstanden. So wandelten wir eine Säulenreihe hinauf, während das mittlere Schiff im eigentlichen Sinne mit Brettern verschlagen und von vielen Pfählen gestützt war. Vor manchem Sarkophag eines Bischofs gingen wir vorbei, ja sogar an dem Reliquienkasten, der sein sollenden 3 Magier, doch nur vorüber, [denn] ein paar Thaler zu zahlen, um Gold, Silber und Edelsteine zu sehen, dazu hatten wir wenig Lust. Wir betraten den Chor, er ist ausgebaut und großartig. Ihm will ich Gerechtigkeit widerfahren lassen. Doch auch er schien mir zu schmal, da man ihn nicht von ferne sehen kann, und diese Enge bei solcher Größe ist in der Nähe drückend. Diese Glasmalereien an den Fenstern wurden restauriert und sind trefflich. Wir verlassen nun den Chor, denn das Ganze kann man wohl k. [= keine] Kirche nennen. Da das Schiff nur eine mit Brettern bedeckte Arbeitsstube für die Zimmerleute und Maurer ist, die hier stets beschäftigt sind, u. besteigen den Turm, der gleichfalls wie erst im Bau begriffen erscheint, da er statt 500 nur 250 Fuß hoch ist und statt der Kuppel einen Kran auf seinem Gipfel trägt, um Lasten hinauf zu ziehen. Die Aussicht jedoch ist herrlich. Man sieht einen bedeutenden Theil des Rheins sich durch die grüne Ebene einen Weg bahnen. Auf einer Seite vom Siebengebirge, auf der anderen von der weiten Fläche begrenzt. Als wir die 225 bis 230 Stufen wieder herabgestiegen waren und dem jungen Führer ein Trinkgeld [geben wollten], hinderte er uns daran, indem er gleich mit befehlerischer Stimme ausrief: "4 Sgr. bezahlt die Person!" Wir gehorchten, um jedoch der alten Frau nicht auch bezahlen zu müssen, eilten wir davon und zwar an Rubens Taufstätte in der Peterskirche. Der Küster führt uns herein, erklärt jedoch, daß das Altarblatt nur die Copie von Rubens Kreuzigung Petri sei und man einen halben Thaler entrichten müsse, um das Original zu sehen. Wir erinnerten uns am Italiens Geldsucht, die uns jedoch nur en miniature gegen diesen kirchlichen Schacherhandel erschien und votirten. Das Resultat fiel bejahend aus. Wir zogen abermals den Beutel und die Copie verwandelte ins Original, indem es wie ein tabernaculum umgedreht. Wohl war der Genuß hinlänglich entschädigend, doch die Sache bleibt verächtlich. Die Handlung stellt den Beginn der Kreuzigung vor. Das Kreuz liegt noch umgekehrt und der Apostel ist darauf ausgespannt. Herrlich ist die Auffassung. Das Blut strömt dem Heiligen zu Kopfe. Die Zunge lechtzt nach Trank, das Auge fühlt den Schmerz. Auch die zwei Henkersknechte sind charakteristisch. Der eine dürstet nach Blut. Man sieht den Grimm der Rache, wie er das Eisen in den Fuß des Märtyrers bohrt. Der andere ist gefühllos und folgt nur seinem Berufe instinktmäßig, während er die Gebeine des zu Kreuzigenden faltet. Wir ziehen nun noch auf die Polizei, lassen die Pässe visiren [= beglaubigen], ziehen nochmals zum Dom, zeichnen ihn in der Mitte von gaffenden Jungen und eilen davon, unbefriedigt, träge und hungrig. Die wallrafische Sammlung sahen wir nicht, denn wir hatten genug (5 ½ Uhr). Nach 2 Stunden erreichen wir Fülingen [= Fühlingen], und nach halbstündigem Harren stürzen wir wie Wölfe über die Suppe, den Schinken, das Kalbfleisch, Kartoffeln, Bohnen, Butter und Klöße her, verschlingen sämtliche Gerichte schneller als die Schlange ein Huhn. Darauf suchen wir müde das Lager und schlafen im einfachen Stübchen besser als der König in seinem Palast.

   

Köln um 1840
4 Jahre nach dem geschilderten Besuch

Zeichnung: W. L. Lertch
Stich: M. J. Starling

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Köln (Cöln) um 1840